ls frisch promovierten Historiker interessierten mich zunächst Themen der Landeskunde, wobei eine starke Komponente die archivalischen Grundlagen wie Urkunden oder Adelsgeschichte waren. Diese Forschung war leichter möglich neben meinem Beruf als Gymnasiallehrer für Geschichte und Geographie zu leisten. Alsbald beschäftigten mich Besiedlungsprozesse und ihre zeitliche Einordnung, sowie die Reformationsgeschichte einzelner Regionen. Ein völlig anderes Engagement verlangte dann die Mitarbeit in Lehrbuchreihen für Geschichte und einem historischen Atlas, wofür u. a. die Umsetzung neuer Forschungsinhalte für das Verständnis und die Lesbarkeit von Schülern notwendig war.
In den 1980er Jahren erweiterte sich mein wissenschaftlicher Horizont. Im Zusammenhang mit dem Arbeitskreis für historische Kulturlandschaftsforschung in Mitteleuropa (ARKUM) boten sich transdisziplinäre Themenfelder der Siedlungsgeschichte und Historischen Geographie an, die die weitere Entwicklung stark beeinflussten. Daneben lockten kompakte biographische Aufgabenstellungen und Fragen der Gegenreformation. Diese Forschungsfelder begleiteten mich lange. Besondere Bedeutung erlangte für mich die Genetische Siedlungsforschung; dabei lernte ich viel (nicht nur auf Tagungen) von den deutschen Forschern Hans Jürgen Nitz und Klaus Fehn. Sehr bald erkannte ich die methodischen Unzulänglichkeiten österreichischer Siedlungsforschung bei A. Klaar und K. Lechner und versuchte die Vorgehensweise der Forschung neu zu gestalten. Ein Produkt dieser Überlegungen war u. a. meine Habilitationsschrift („Zur Typologie und Genese von Althöfen“). Nicht alle Kollegen und Kolleginnen erkannten die neuen Ansätze und verharrten lieber in alten Mustern – sowohl wissenschaftlich als auch akademisch.
Diese neu gedachte Siedlungsforschung nahm ihren Werdegang bei den Quellen: Das alte Grundbuch (ca. 1790 ff.) und der Franziszeische Kataster, der im östlichen Österreich von Kaiser Franz I. (1817-1830) in Auftrag gegeben wurde, bestimmten anfangs die Arbeitsweisen für eine Rekonstruktion, z. B. Fluranalysen und Herrschaftsanalysen, Rückschreibung. Direkte Rückschlüsse allerdings standen nie im Blickpunkt, weil im Idealfall die Einbeziehung aller geo- und kartographischen, schriftlichen, archäologisch-naturwissenschaftlichen und onomastischen Quellen vorschwebt. Die genetische Siedlungsforschung zielt ja auf die Entwicklung und Entfaltung von Siedlungen und der Besiedlung einer Region ab. Dabei spielen Gründungszeiten, Teilungen, Zusiedlungen und typologische Muster eine Rolle. Die Kritik an der älteren traditionellen Siedlungsforschung war ja zurecht bei siedlungstechnischen Modellen und ihrer zeitlichen Einordnung sowie schematischen Typologien erfolgt.
Da die Rückschreibung von Flurlagen normalerweise bestenfalls bis ins Spätmittelalter tragfähig erscheint, war man lange auf spekulative Schlussfolgerungen angewiesen. Probleme bereitete auch die zeitliche Einordnung historischer Flurstrukturen, sowie historische „Siedlungsbrüche“, die schwer zu erkennen sind. Was Früh- und Hochmittelalter betrifft konnte erst der Einsatz der Kulturflächenanalyse neue Erkenntnisse bringen. Was ist darunter zu verstehen? Im Verlauf des Mittelalters prägten zum einen gegründete Hofsiedlungen (Althöfe vor ca. 900 – Althufen 900-ca. 1100 – Huben), zum anderen gegründete Sammelsiedlungen (Weiler, Dörfer) den Siedlungsraum. Während für das Hoch- und Spätmittelalter zahlreiche schriftliche Aufzeichnungen vorliegen, sind Urkunden und Traditionen im Frühmittelalter wesentlich seltener. Ältere Siedlungsgründungen wurden meist geteilt, deshalb ist zunächst formal eine Rekonstruktion notwendig, wodurch der theoretische Siedlungsumfang der Anfangszeit eine bestimmte „Größe“ (in ha oder Joch) ergibt. Nun zeigte sich durch Auswertung schriftlicher Angaben in historischen Katastern (vorwiegend in Österreich und Bayern), dass bestimmte Siedlungsgrößen bestimmten Zeitpunkten bzw. Zeitsegmenten entsprachen. In analoger Weise wurden nun nicht „datierte“ Siedlungen in diese Gründungszeiten und Zeitstufen eingeordnet. Damit wurde es möglich, regionale Besiedlungszeiten zu entwerfen, ohne eigentliche Rückschreibungen und Rekonstruktionen auszureizen. In der Realität war die Wissensfindung wesentlich komplexer, weil multidisziplinäre Informationen verarbeitet werden mussten.
Eine völlig andere Problematik zeigte sich bei weilerhaften Plansiedlungen des fortgeschrittenen Mittelalters: Rahmendaten und individuelle historische Analyse sind gegenüber formalgenetischen Darstellungen der Vorzug zu geben. Insbesondere bleibt die Arbeit mit dem Kataster ohne Urbaranalysen eher ein Stückwerk. Immerhin konnte durch diese Arbeitsweisen, abzielend auf die innere Struktur solcher Dörfer, eine neue zeitliche Abfolge bei diesen Regelformen (Angerdorf, Straßendorf etc.) nahegelegt werden; angeblich regelhafte „Frühformen der Jahrtausendwende“ wurden als veränderte Formen für eine Zeit, als es schon Planformen gab, nachgewiesen. Absolutes Neuland betrat meine Forschung bei karolingerzeitlichen Planweilern. Bei ihren bäuerlichen Hufen war vor allem die Segmentierung typisch, wobei häufig ein „gestückeltes“ Flurbild auftrat. Erst die detailreiche Rekonstruktion dieser Sammelsiedlungen sicherte Belege für die Diversität eines frühmittelalterlichen Bauerntums. Denn inzwischen hatten weitere Flurforschungen bei Hofsiedlungen im süddeutschen Raum Größenverhältnisse sozialer Gruppen identifiziert: Im Zeitraum ca. 750-900 sind für Siedlungen höriger Bauern Hufengrößen von 12-10 ha, nichthöriger Bauern von 21-17 ha sowie Parschalken von 30-28 ha üblich. Die soziale Gliederung des Adels und der Freien verschob sich nach Größen damals zueinander. Während Freie (ca. 51 ha) und niederer Adel (ca. 60-70 ha) eher stabil blieben, verringerte sich das Ausmaß der Althöfe des Sippenadels und Hochadels erheblich.
Abschließend sollte noch auf einen Forschungsbereich hingewiesen werden, der mich von Anfang an begleitete: Im Zuge der Darstellungen konfessioneller Strukturen mit umfangreichen Arbeiten in Archiven erkannte ich auch, dass der Einsatz von Matriken wichtig wäre. Für die ersten Jahrzehnte der Gegenreformationszeit erwiesen sich Auswertungen von Matriken als sinnvoll, da Katholiken und Protestanten unterschiedliche Zugänge bei Taufnamen hatten. Während katholische Kreise Heiligennamen des Monats vorschrieben, bevorzugten evangelische Kreise Vornamen der Eltern, Verwandten oder Persönlichkeiten. Diese kulturgeschichtliche Differenz machte es möglich, Orte mit beharrender evangelischer Namenwahl herauszufiltern. Augenmerk legte ich auch auf die Verknüpfung zwischen Auswanderung aus Österreich und Einwanderung in Süddeutschland in der Migrationsgeschichte.